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Einträge aus den Jahren 2005, 2006 und 2007... ...befinden sich nun
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23. April 2013
Jubelparty zur Abschaffung des
Wertgutscheinsystems in Göttingen
Wann: am 4. Mai ab 22 Uhr; Wo: im Juzi, Bürgerstr. 41
Nach 15 Jahren Kampf um die Abschaffung des diskriminierenden Wertgutscheinsystems in Göttingen wird
jetzt wieder Bargeld an Flüchtlinge ausgezahlt. Damit ist die Gutscheingruppe überflüssig
geworden und kann sich endlich auflösen! Wir wollen dies mit einer Party am 4. Mai im Juzi richtig
feiern, zu der wir alle ganz herzlich einladen!
In Göttingen wurde 1998 die Gutscheinpraxis für Flüchtlinge eingeführt. Vorangegangen
war ein Erlass der damaligen SPD-geführten Landesregierung, der den Kommunen diesen Schritt nahelegte.
Doch dies wurde von den Flüchtlingen und der antirassistischen Szene in Göttingen nicht
einfach hingenommen. Die Gutscheinannahme wurde öffentlichkeitswirksam mit Protesten vor dem Neuen
Rathaus verweigert, die mehrere Tage andauerten. Parallel dazu entstand der Gutscheinumtausch, bei
dem UnterstützerInnen mit Gutscheinen einkaufen gingen, so dass die Flüchtlinge zumindest
für einen Teil ihrer Gutscheine Bargeld bekamen. In den darauf folgenden Jahren gab es immer wieder
Aktionen gegen das diskriminierende Wertgutscheinsystem, wie Demonstrationen, antirassistischen
Einkäufe, Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit in Schulen, an der Uni und in
der Göttinger FußgängerInnenzone.
2007 hatte sich der Rat der Stadt Göttingen, auf Initiative der Gutscheingruppe, zu einer
Resolution gegen das Gutscheinsystem durchgerungen, ein entsprechender Beschluss war dann jedoch am
Umfallen der SPD gescheitert. Anders im Kreistag: Hier war 2007 sogar zweimal beschlossen worden,
Bargeld einzuführen. Letztendlich wurden diese Beschlüsse aber nie umgesetzt, weil
das Niedersächsische Innenministerium die Beibehaltung des Gutscheinsystems im Rahmen
einer fachaufsichtlichen Beschwerde einforderte.
Da sich trotz Kreistagsbeschluss in Sachen Bargeldausgabe nichts bewegte, fokussierte sich der
Widerstand gegen das Gutscheinsystem zunehmend auf die rechtliche Ebene. Das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012, in dem die niedrigen Leistungen für Flüchtlinge
für menschenunwürdig erklärt wurden, brachte schließlich die entscheidende
Bewegung in den festgefahrenen Gutscheinstreit. Es folgten mehrere Gerichtsverfahren, die
überregional für Aufmerksamkeit sorgten. Der rassistische und diskriminierenden
Charakter dieses Gutscheinsystems wurde dabei verurteilt. Kurz bevor ein weiterer Fall
bei Gericht entschieden werden sollte, stellte die neue Niedersächsische
Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag die Weichen für die Bargeldausgabe. Es
folgte ein entsprechender Erlass, der es den Kommunen künftig freistellt, Bargeld
oder Wertgutscheine an Flüchtlinge auszugeben. Bereits Ende Februar zahlte die
Göttinger Stadtverwaltung Bargeld aus, einen Monat später folgte auch der Landkreis.
Das diskriminierende Gutscheinsystem für Flüchtlinge in Göttingen ist seitdem Geschichte!
Wir fordern jetzt, dass alle niedersächsischen Kommunen umgehend auf die Ausgabe von
Bargeld umstellen. (Hier eine
Übersichtskarte, welche Kommunen bereits auf Bargeld umgestellt haben.) Die Abschaffung
des Gutscheinsystems ist erst der Anfang: Die Abschaffung des Sachleitsungsprinzips
und andere Selbstverständlichkeiten wie das Recht, eine eigene Wohnung zu beziehen, eine
Arbeit aufzunehmen und sich frei in Deutschland bewegen zu können sowie eine umfassende
medizinische Versorgung müssen dringend folgen!
9. März 2013
Bargeld in Göttingen!
- Gutscheintausch läuft vorerst
weiter -
Das diskriminierende Gutscheinsystem für Flüchtlinge in Göttingen ist Geschichte! In der
Stadt wurde bereits Ende Februar Bargeld ausgezahlt und auch der Landkreis Göttingen hat
angekündigt, künftig keine Wertgutscheine mehr auszugeben. Zuvor hatte die neue
niedersächische Landesregierung die ohnehin zweifelhafte Rechtsauffassung ihrer Vorgängerregierung
aufgegeben und die Entscheidung über die Form der Leistungsgewährung nach dem
Asylberwerberleistungsgesetz explizit den örtlichen Leistungsbehörden anheimgestellt.
Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, hier lebende Flüchtlinge nicht mit
zusätzlichen Schikanen wie beispielsweise der diskriminierenden Wertgutscheinausgabe zu belasten.
Trotzdem wirkt es wie ein kleines Wunder, dass die Landesregierung in Hannover nach 15 Jahren endlich
ihren Kurs wechselt. Wir fordern, dass alle niedersächsischen Kommunen umgehend auf die Ausgabe
von Bargeld umstellen. Andere Selbstverständlichkeiten wie das Recht, eine Wohnung zu beziehen,
zu arbeiten und sich frei in Deutschland zu bewegen sowie eine umfassende medizinische Versorgung
müssen nun dringend folgen!
Da noch zahlreiche Gutscheine im Umlauf sind, läuft der Gutscheintausch vorerst weiter, und
Gutscheine sind wie gehabt, an den bekannten Umtauschstellen zu bekommen. Bitte beteiligt Euch,
bis der letzte Gutschein getauscht ist, danach werden wir feierlich die Auflösung der
Gutscheingruppe begehen!
Die Jubelparty findet voraussichtlich am Samstag, den 4. Mai statt. Ankündigungen folgen...
22. Februar 2013
Gerichtstermin aufgehoben. Ende der Gutscheine naht!
Das Sozialgericht Hildesheim hat den für Montag, den 25.02.2013 angesetzten Gerichtstermin zur
Rechtmäßigkeit der Gutscheinpraxis aufgehoben.
Hintergund der Entscheidung bildet die nun offenbar unmittelbar bevorstehende Änderung der Erlasslage
durch das Niedersächsische Innenministerium auf Gundlage des Koalitionsvertrages.¹
Die Stadt Göttingen hatte um Aufhebung des Termins gebeten.²
Die Gutscheingruppe fordert Stadt und Landkreis auf, die Umstellung auf Bargeldauszahlung zum nächsten
Zahlungstermin zu veranlassen.
15. Februar 2013
"Ich hoffe, dass die diskriminierende Praxis endlich ein Ende hat."
Die KollegInnen der Gutscheintauschinitiative Celle haben in der Zeitschrift revista
ein Interview gegeben. Es geht um die Arbeit ihrer Initiative und um die aktuelle
Entwicklung im Land, die auf eine baldiges Ende der Gutscheinpraxis in Niedersachsen
hoffen lässt.
Wir unterstützen die GenossInnen in Ihrer Forderung:
Die Zeiten der Ausreden und des Herumlavierens seitens der Kommunen sind zu Ende! Das Gutscheinsystem muss
umgehend abgeschafft werden - in Celle, in Göttingen und auch überall sonst!
Das vollständige Interview gibt es auf Seite 10 der aktuellen revista Nr. 63.
14. Februar 2013
Bargeldauszahlung an Flüchtlinge ab sofort möglich
Am gestrigen Mittwoch hat die designierte Niedersächsische Landesregierung ihren Koalitionsvertrag
veröffentlicht. Zur Frage "Bargeld oder Gutscheine" für Flüchtlinge heißt es darin
unmissverständlich: "Die rot-grüne Koalition wird (...) die diskriminierende Wertgutscheinpraxis
beenden und durch Bargeldauszahlung ersetzen."¹ Die ohnehin zweifelhafte Rechtsauffassung der
scheidenden Landesregierung wird somit nicht weitergeführt; der umgehenden Umstellung der Leistungen
auf Bargeld steht nichts mehr im Wege.
Die bisherige Landesregierung hatte immer behauptet, die Gutscheinausgabe stelle die einzig
rechtskonforme Art der Leistungsgewährung nach §3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) dar. Dem
hatten sich die Verantwortlichen in der Stadt und im Landkreis Göttingen stets gebeugt und
entsprechenden Beschlüssen ihrer Regionalparlamente die Umsetzung verweigert. Bezogen auf
Nachzahlungen nach dem AsylbLG waren die Göttinger Kommunalverwaltungen sogar über die Vorgaben der
bisherigen Landesregierung hinausgegangen. Dieses Vorgehen wurde durch ein Urteil des Sozialgerichts
Hildesheim im Dezember nachträglich für rechtswidrig erklärt.
Die Gutscheingruppe fordert die Stadt und den Landkreis Göttingen auf, die Leistungausgabe ab sofort
auf Bargeld umzustellen. Nach der "peinliche[n] Niederlage vor Gericht"² vom Dezember wäre dies
ein klares politisches Signal und richtungsweisend auch für andere Kommunen des Landes.
Unabhängig vom Wechsel der landespolitischen Rahmenbedingungen läuft die rechtliche
Auseinandersetzung bezüglich der Gutscheinausgabe weiter. Der Kerngedanke des BVerfG-Urteils
zum AsylbLG, wonach die Sicherung des Existenzminimums nicht migrationspolitisch relativiert werden
darf, gibt dabei die Richtung vor. Bei einer Erörterung der Rechtslage in einem der Verfahren hat
das Gericht denn auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gutscheinvergabepraxis durch
Stadt und Landkreis Göttingen erkennen lassen.
Die Hauptverhandlung ist nun für den 25.02.2013 angesetzt. Das Sozialgericht Hildesheim tagt dazu in
Göttingen und zwar ab 9.30 Uhr im großen Sitzungssaal des Verwaltungsgerichts. Wir wünschen den
Klägerinnen viel Erfolg!
18. Januar 2013
Gretchenfrage Gutscheine: "Nun sag, wie hast du's mit dem AsylbLG?"
Mitte Dezember hatte die Stadt Göttingen angekündigt,
keine Gutscheine mehr an Flüchtlinge ausgeben
zu wollen, sondern ab 2013 die Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) endlich in Form von
Bargeld zu erbringen. Kaum hatte das neue Jahr begonnen, kam auch schon der Rückzug: Am 3. Januar hieß
es in einer Erklärung,
man wolle die Gutscheinpraxis nun doch beibehalten, das Niedersächsische
Innenministerium habe den "Oberbürgermeister förmlich gerügt".
Damit schwenkte die Stadt Göttingen kurz vor knapp zurück auf ihre altbekannte Haltung,
wonach es nach derzeitiger Gesetzeslage "keinerlei Handlungsspielraum [gäbe], Bargeld
auszuzahlen"¹.
Dies soll angeblich direkt aus §3 Abs. 2 AsylbLG folgen,
wonach "anstelle von vorrangig zu
gewährenden Sachleistungen Leistungen in Form von Wertgutscheinen (...) oder von Geldleistungen
im gleichen Wert gewährt werden" können, soweit dies "nach den Umständen
erforderlich ist". Es ist offenkundig, dass §3 AsylbLG die Möglichkeit
der Bargeldausgabe eröffnet
und eben gerade nicht verbietet. Trotzdem verschanzen sich die Verantwortlichen in Göttingen seit Jahr
und Tag hinter dem juristischen Luftschloss, wonach die Gutscheinausgabe die in Göttingen einzig
rechtskonforme Art der Leistungsgewährung nach dem §3 AsylbLG darstelle.
In Wahrheit handelte es sich aber bei der Entscheidung "Bargeld oder Gutscheine" bis dato
weniger um eine rechtliche denn um eine politische Fragestellung, genauer: um eine migrationspolitische.
Nicht umsonst ist für die Sicherung des Existenzminimums von Flüchtlingen auch nicht das
Sozialministerium sondern das Innenministerium zuständig. Der Innenminister selbst ist sich
dessen durchaus bewusst und verteidigt die Wertgutscheine dann auch mit einem migrationspolitischen
Klassiker: "Unbare Leistungen haben eine deutlich verminderte Anreizwirkung."²
Allerdings droht nun just denjenigen, die unter Verweis auf die Rechtslage nie wahr haben wollten,
dass es sich bei der Gutscheinfrage um eine politische handelt, die Sache ausgerechnet aufgrund
ihres politischen Wesens rechtlich vor die Füße zu fallen: Denn in seinem Grundsatzurteil
zur Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG hatte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen
Sommer ausgeführt, dass die Sicherung des Existenzminimums nicht migrationspolitisch
relativiert werden dürfe.
Seitdem ist die Gutscheinfrage rechtlich neu aufgeworfen, diesmal aber von Seiten der betroffenen
LeistungsempfängerInnen. Flüchtlinge aus der Stadt und dem Landkreis Göttingen
klagen vor dem Sozialgericht Hildesheim auf Leistungsgewährung in Form von Bargeld: Bei
einer Erörterung der Rechtslage im Vorfeld der Hauptverhandlung hat das Gericht nun
erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gutscheinvergabepraxis durch Stadt
und Landkreis Göttingen erkennen lassen: "Letztlich dürften nicht die
Kassiererinnen und Kassierer des Einzelhandels entscheiden, was zur Deckung des
Existenzminimums konkret eingekauft werde. Es müsse zudem zumindest sichergestellt
sein, dass es nicht zu entwürdigenden Szenen an der Kasse komme."³ So fasst
Rechtsanwalt Adam, der die Kläger vertritt, die Position des Gerichts zusammen.
Die Hauptverhandlung in dem Verfahren ist nun für den 25.02.2013 angesetzt. Das
Sozialgericht tagt dazu in Göttingen und zwar ab 9.30 Uhr im großen
Sitzungssaal des Verwaltungsgerichts. Wir sind gespannt und wünschen den
KlägerInnen viel Erfolg!
17. Dezember 2012
Bargeld gerichtlich erstritten
Nun hat es also auch das Sozialgericht Hildesheim festgestellt: Die Stadt Göttingen hätte
die Nachzahlungen, die einigen Flüchtlingen aufgrund des AsylbLG-Urteils des BVerfG zustanden,
in Bargeld statt in Wertgutscheinen auszahlen müssen. In einem anderen Verfahren, in dem es um
die regelmäßigen, monatlichen Leistungen ging, die die Stadt Göttingen ebenfalls in
Wertgutscheinen erbringt, fiel hingegen "trotz intensiver mündlicher Erörterung" noch
keine Entscheidung.
Während die Göttinger Medien zur Entscheidung in Hildesheim weitestgehend schweigen, sendete der NDR
einen kurzen Fernsehbeitrag. Und
gleichzeitig scheint das Thema auch hinsichtlich der bevorstehenden
Landtagswahl an Bedeutung zu gewinnen: So sieht die SPD in dem Urteil einen "Schlag gegen
Schünemanns Diskriminierungspolitik"¹ und auch die Grünen "begrüßen
[das] Gerichtsurteil gegen die Stadt."²
Über die Ausgabe der Gutscheine entschieden und an der Entscheidung dann vehement festgehalten
hatte aber just diese tief rot-grüne Stadt Göttingen, in deren Rat - nur um es nochmal
in Erinnerung zu rufen - die CDU nur als drittstärkste Kraft vertreten ist. Aber jetzt will
sich selbst das Innenministerium in Hannover nicht mehr über den vorauseilenden Gehorsam
aus Göttingen freuen: In einer Erklärung vom 13.12.
formuliert das Ministerium scharf: "Beklagter
war die Stadt Göttingen, nicht das Innenministerium!" Und weiter: "Eine Weisung zur
Ausgabe von Wertgutscheinen in Nachzahlungsfällen hat es vom Innenministerium nicht
gegeben. Diese Entscheidung wurde ausdrücklich den Kommunen selbst überlassen!"
Spannender als die Nachzahlungen sind jedoch die regelmäßigen Leistungen. Hier
könnte sich die Stadt Göttingen nach der "peinliche[n] Niederlage vor Gericht"²
nun wunderbar in Szene setzen und endlich mal einen Schritt nach vorne wagen. Daher unsere
Forderung an die
Stadt: Schaffen
Sie dieses rassistische System der Gutscheine endlich ab! Den Schünemannschen Rüffel -
sofern er denn wirklich käme - wäre es dann wenigstens wert.
7. Dezember 2012
Schünemanns Wille vor Gericht
Am 12. Dezember blickt Göttingen nach Hildesheim. Vor dem dortigen Sozialgericht geht
es in drei Verfahren darum, ob die Stadt auch künftig an ihrer Beton-Haltung in
Sachen Wertgutscheine für Flüchtlinge festhalten kann. Göttingen folgt seit
Jahren dem Credo von Innenminister Schünemann, wonach es "keinerlei
Handlungsspielraum [gebe], anstelle von Wertgutscheinen Bargeld auszuzahlen".¹
Verhandelt werden einmal die Gutschein-Nachzahlungen, die einige Flüchtlinge aufgrund
des AsylbLG-Urteils des BVerfG bekommen haben.² In einem anderen Eilverfahren geht es um
die wiederkehrenden, monatlichen Grundleistungen, die die Stadt Göttingen ebenfalls
in Wertgutscheinen erbringt.
Im Falle der Nachzahlungen dürfte ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz, wonach "eine
nachträgliche Sicherstellung eines in der Vergangenheit liegenden Bedarfs [...]
zwangsläufig nur in Form von Geldleistungen" zu erbringen sei, bereits eine
Richtung vorgeben. So ist zu hoffen, dass den unwürdigen Ränkespielen der
letzten Wochen³ ein Ende gesetzt werden wird.
Deutlich komplexer ist die Frage "Bargeld oder Gutscheine" hinsichtlich der
regelmäßigen Leistungen: Zunächst geht es darum, ob die
gegenwärtige Entscheidungspraxis bei der Bewilligung der Leistungen
ermessensfehlerhaft ist, da die Behörde das ihr per Gesetz anheim
gestellte Ermessen gar nicht ausübt, gar behauptet, es stünde
ihr gar nicht zu. Sodann geht es um die weitreichendere Fragestellung,
ob eine fehlerfreie Ermessensausübung die Gewährung von Bargeld
statt Wertgutscheinen zum Ergebnis haben müsste.
Es bleibt also spannend und ist doch zugleich schon im Vorfeld ein Armutszeugnis:
Seit Jahren ist klar, dass nach dem AsylbLG Bargeld ausgezahlt werden darf. Trotzdem
müssen die Flüchtlinge nun den rechtlichen Kampf auf sich nehmen, um zu
zeigen, dass Bargeld nicht nur ausgezahlt werden darf, sondern auch muss. Der
zentrale Satz des BVerfG-Urteils
zum AsylbLG gibt hierbei die Richtung vor: "Die
in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht
zu relativieren."
Der Göttinger Rechtsanwalt Adam, der die Antragsteller in Hildesheim vertritt, hat die
verschiedenen rechtlichen Aspekte der Frage "Bargeld oder Gutscheine" untersucht und in einer
aktuellen Stellungnahme zusammengestellt. Sie kann auf der Homepage
der Kanzlei eingesehen werden.
Die Verhandlung zu den Nachzahlungen beginnt am Mittwoch, den 12. Dezember 2012 um 11 Uhr vor dem
Sozialgericht in Hildesheim. Hinsichtlich der regelmäßigen Leistungen finden nicht-öffentliche
Erörterungstermine statt.
20. November 2012
Diskriminierung bevorzugt!
Die Stadt Göttingen leistet Nachzahlungen aufgrund des BVerfG-Urteils zum AsylbLG in
Form von Gutscheinen. Damit hält sie entgegen der Bekundung im Rat, das Gutscheinsystem
für Flüchtlinge abschaffen zu wollen, offensiv an diesem diskriminierenden System fest.
Asylbewerber und rechtlich Gleichgestellte sind in Deutschland einem Netz staatlicher Schikanen,
Verbote und Zumutungen ausgesetzt. Beispielsweise erzwingt ein faktisches Arbeitsverbot die
Sozialhilfebedürftigkeit dieses Personenkreises und bedeutete in der Folge eine über
viele Jahre hinweg "in der Höhe evident unzureichende" Leistungsgewährung. So
festgestellt im Sommer diesen Jahres in einem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts.
Bekanntlich verfügte das Gericht in
diesem Urteil, dass zum einen ab sofort höhere Grundleistungen ausgezahlt werden
müssen und dass zum anderen den wenigen Flüchtlingen, die ihren Leistungsbescheid
in der Vergangenheit angefochten hatten, rückwirkend Ausgleichszahlungen für die
rechtswidrig vorenthaltenen Leistungen seit 2011 zustehen.
Eine weitere rassistische Sonderbehandlung gegenüber Flüchtlingen erfolgt hinsichtlich
der Art der Leistungsgewährung. Gemeint ist das sogenannte Sachleistungsprinzip, das
zwar in Deutschland überall anders ausgelegt wird, aber in Göttingen seither
zur Begründung eines speziellen Gutscheinsystems in Anschlag gebracht wird: Demnach
erhalten Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus die ihnen zustehenden Leistungen
abgesehen von einem sogenannten "Taschengeld" in Form von aufwendig hergestellten Gutscheinen,
die dann beschränkt auf einzelne Warengruppen nur in bestimmten Läden eingesetzt
werden können. Obwohl –wie zuletzt auch das BVerfG dokumentierte– "die Mehrzahl
der Länder und Kreise"¹ in Deutschland ebendiese Leistungen, die in Göttingen als Gutscheine
ausgegeben werden, in Form von Geldleistungen gewährt, behauptet man in Göttingen
felsenfest nach der derzeitigen Gesetzeslage gäbe es "keinerlei Handlungsspielraum,
Bargeld auszuzahlen". Als Zuckerbrot für die sensibilisierten, kritischeren
Stimmen konstatiert man dann gerne, die Gutscheine seien "diskriminierend",
"stigmatisierend" und auch noch "teuer", ihre "dauerhafte Anwendung
mit der Würde des Menschen nicht vereinbar", nur ändern könne
man –leider– nichts, das "Niedersächsische Innenministerium" müsse
erst "die Diskriminierungen des AsylbLG aufheben" (sic!).² Aber fällt das
Innenministerium als Schwarzer Peter aus, dann kann man in Göttingen statt
Zuckerbrot natürlich auch Peitsche:
Der Gutscheingruppe ist nun der Fall einer Leistungsempfängerin bekannt geworden,
der aufgrund des Urteils des BVerfG rückwirkende Leistungen in Höhe
eines hohen dreistelligen Betrages zustehen, kürzlich ausbezahlt von der
Stadt Göttingen in Form von bis zum Jahresende gültigen Gutscheinen. Die
Frau setzt sich mittlerweile gerichtlich gegen diese –wie hieß es im
Stadtrat?– "diskriminierende" und "stigmatisierende" Form der
Nachzahlung zur Wehr, die man in Göttingen doch angeblich so gerne abschaffen
würde, wäre Hannover nur nicht so streng. Allerdings beurteilt man
Nachzahlungen, die sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht ergeben, im
Innenministerium in Hannover durchaus anders: Es handele sich um "eine besondere
Sachkonstellation", die die Gewährung von Geldleistungen rechtfertige. Aber
nichts desto trotz, die Stadt Göttingen besteht auf Gutscheinen, wieder einmal!
Außerhalb der Stadt, im Landkreis Göttingen sieht man die Sache übrigens anders.
Hier werden die Nachzahlungen offenbar als Geldleistung erbracht und in einem Kreistags-Beschluss
vom 11.09.2012 heißt es immerhin, man "bitte die Kreisverwaltung, vorhandene
Ermessensspielräume (...) zu nutzen", um "verstärkt Barleistungen
auszuzahlen". Immerhin!
Und mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Gutschein-Nachzahlungen am Ende auch schlicht
rechtswidrig gewesen sein. Jedenfalls legt das ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz
vom Juni diesen Jahres nahe: Demnach ist "eine nachträgliche Sicherstellung eines in
der Vergangenheit liegenden Bedarfs [...]
zwangsläufig nur in Form von Geldleistungen möglich"; die Stadt Sinzig hatte
Nachzahlungen von Leistungen
nach dem AsylbLG in Gutscheinen ausgegeben.
Die Gutscheingruppe rät allen, die ebenfalls Nachzahlungen aufgrund des BVerfG-Urteils
in Form von Gutscheinen erhalten haben, rechtlich gegen die Form der Leistungsgewährung
vorzugehen. Weiterhin rufen wir zur Teilnahme an der Demonstration "Bargeld statt
Gutscheine – Rassistische Sondergesetze abschaffen!" auf, die am Samstag, den 1.
Dezember 2012 um 12 Uhr in Hannover stattfinden wird. Das Gutscheinsystem gehört
schleunigst abgeschafft: In Göttingen, in Niedersachsen und auch überall sonst,
wo es noch angewendet wird!
5. November 2012
Samstag, 1. Dezember 2012 | 12 Uhr | Hannover, Schillerstr./Ecke
Andreaestr.
Demonstration: Bargeld statt Gutscheine
Rassistische Sondergesetze abschaffen!
Am Samstag, den 1. Dezember findet in Hannover eine Demonstration für die sofortige
Abschaffung des schikanösen Gutscheinsystems und gegen sämtliche andere rassistische
Sondergesetze statt. Die Demonstration wird vom Bündnis gegen das Gutscheinsystem Niedersachsen
organisiert und versteht sich als Teil der bundesweiten Proteste gegen die unmenschlichen
Lebensbedingungen von Flüchtlingen.
Das Bündnis ruft weiterhin zur Unterzeichnung einer Petition an den Niedersächsischen Landtag
auf, in der ebenfalls die Abschaffung des rassistischen Gutscheinsystems in Niedersachsen
gefordert wird. Die Petition kann noch bis 27.11. auch online unterschrieben werden.
Die gemeinsame Anfahrt aus Göttingen zur Demonstration am 1.12. startet um 10:09 Uhr aus
Gleis 6 (Metronom). Kommt rechtzeitig zur Aufteilung auf Wochenendtickets, spätestens um 9:55 Uhr!
2. Oktober 2012
Gutscheinsystem in Thüringen nähert sich dem Ende
Die Zeichen der Zeit stehen nun offenbar auch in Thüringen auf Bargeld. Zum 1. Oktober
soll im Altenburger Land, im Ilmkreis, im Landkreis Schmalkalden-Meiningen sowie in der Stadt
Erfurt von Gutscheinen auf Bargeld umgestellt werden. Die Stadt Gera folgt zum 1. November,
in Weimar ist die Umstellung auf Bargeld für Ende des Jahres geplant. Und der Saale-Orla-Kreis
sowie der Landkreis Sonneberg haben sich bereits am 1. Juli von dem schikanösen
Gutscheinsystem verabschiedet.
Wie diversen Pressemeldungen zu entnehmen ist, hat man sich offenbar im Erfurter Innenministerums
dazu durchgerungen, von der bisherigen Position Abstand zu nehmen und endlich anzuerkennen, dass es
nicht gegen §3 AsylbLG verstößt, im Rahmen von §3 AsylbLG Bargeld auszugeben.
Soweit sind die Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen natürlich immer noch nicht: Das
Innenministerium aus Hannover hält die generelle Ausgabe von Bargeld im Rahmen von §3 AsylbLG
nach wie vor für rechtswidrig und hat damit -zumindest gegenüber den rückgratlosen
Göttinger Verantwortungsträgern- bislang auch noch Erfolg. Erst kürzlich bescheinigte
sich der Rat der Stadt, "keinerlei Handlungsspielraum [zu haben, um] Bargeld auszuzahlen". [1]
Dass sich die Kommune nicht als rechtswidrig verbieten lassen muss, was offenbar nicht rechtswidrig
ist, behauptet die Gutscheingruppe schon lange. Auch hierfür finden sich im benachbarten
Thüringen Beispiele: Der Landkreis Nordhausen, der Kyffhäuserkreis und die Stadt
Eisenach geben schon seit Längerem und trotz des bis vor kurzem noch vorhandenen Drucks
der Landesbehörden Barleistungen aus. In Erfurt wiederum gab es bislang gar keine
generelle Regelung, hier entschied die kommunale Behörde jeweils im Einzelfall. [2]
Einmal mehr fordern wir die Stadt und den Landkreis Göttingen auf, sich nicht
länger den Bären von der Rechtswidrigkeit der Bargeldausgabe aufbinden
zu lassen! Schaffen auch Sie das rassistische Gutscheinsystem endlich ab!
Nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Grundsatzurteil
vom 18. Juli, in dem es eigentlich um die Höhe der Leistungen nach dem
AsylbLG ging, dazu hinreißen lassen, noch einmal festzuhalten,
dass "die Mehrzahl der Länder und Kreise (...) heute im Rahmen des
§ 3 AsylbLG Geldleistungen [erbringt]. Das gilt flächendeckend in
Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt,
mit nur wenigen Ausnahmen auch in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz. In Brandenburg geben 12 von 18 Kreisen Geldleistungen, ebenso 9
von 13 Kreisen in Sachsen und 4 von 24 Kreisen in Thüringen." Und in
letztgenanntem sind es mittlerweile also noch einmal einige mehr.
Übrigens: Einen Eindruck, welche Art von Schikane die Gutscheinausgabe für
Flüchtlinge und Geduldete bedeutet, gibt eine neue Video-Dokumentation der Filmpiraten,
aufgenommen -wer hätt's gedacht- in Thüringen, wo jetzt ja zum Glück alles ein wenig besser wird!
17. Juli 2012
Weiterhin kein Bargeld in Göttingen
Rat spricht sich gegen Gutscheine
aus und beharrt doch auf der bisherigen Praxis
Auf alleinigen Antrag der SPD-Fraktion hin beschäftigte sich der Rat der Stadt am
13.07.2012 erneut mit dem diskriminierenden und schikanösen Gutscheinsystem
für Flüchtlinge, das seit Ende der 1990er Jahre in Göttingen praktiziert
und ebensolange bekämpft wird. Mit den Stimmen von SPD, den Grünen, der
Linken und den Piraten sprach sich der Rat für Bargeld statt Gutscheine aus.
Was sich auf den ersten Blick nach einer guten Nachricht anhört, entpuppt sich bei genauerer
Betrachtung nur als Neuauflage der immer gleichen, gewollten oder tatsächlichen
Begriffsstutzigkeit, mit der seit Jahren die wirkliche Einführung der Bargeldausgabe verhindert wird.
Das "Spielchen" geht wie folgt: Die Damen und Herren der es gut meinenden Fraktionen monieren
den Zustand als "unhaltbar", die Gutscheine seien "diskriminierend", "stigmatisierend" und
auch noch "teuer", ihre "dauerhafte Anwendung mit der Würde des Menschen nicht
vereinbar". Im nächsten Schritt werden dann die rechtlichen Begriffe so verdreht, bis es
aussieht, als gäbe es "für die Stadt Göttingen keinerlei Handlungsspielraum, Bargeld
auszuzahlen". Danach gibt man sich zufrieden, denn man hat sich für eine gute Sache, "die
Würde des Menschen" stark gemacht, und alles kann bleiben, wie es ist.
Während bei früheren Versuchen der Bargeldeinführung in Göttingen die Mehrheitsverhältnisse nicht
so klar waren wie derzeit und es zur Herstellung des rechtlichen Begriffschaos' noch ein
wenig Kommunikation mit Hannover und/oder eines halsstarrigen Landrats bedurfte, schreibt man
heute den Unsinn gleich in den Antrag. Der Rat der Stadt Göttingen fordert allen Ernstes
das Niedersächsische Innenministerium auf, es solle "die Diskriminierungen des AsylbLG
aufheben" und so "die rechtlichen Grundlagen schaffen, damit die Stadt Göttingen
anstelle von Wertgutscheinen Bargeld an Asylbewerber/innen auszahlen kann". Dabei handelt
es sich bei dem AsylbLG um ein Bundesgesetz, welches Niedersachsen kaum wird ändern
können. Und eben dieser Hinweis ist es, der Hannover genügen wird, um die
"Aufforderung" aus Göttingen zu den Akten zu legen.
Aber der verabschiedete SPD-Antrag stellt nicht nur absurde Forderungen an das
Niedersächsische Innenministerium, er fantasiert auch "Aufnahmegesetze"
anderer Bundesländer "(z.B. NRW, Hessen, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt)" herbei, die den dortigen Kommunen das "Entscheidungsrecht"
einräumten, Bargeld auszugeben. Tatsächlich wird im überwiegenden Teil
der Kommunen der genannten Bundesländer (und nicht nur dort) Geld ausgezahlt
und somit anders verfahren, als in den meisten niedersächsischen Kommunen. Und
doch geschieht all dies nach dem gleichen, natürlich in ganz Deutschland
gleichermaßen gültigen Bundesgesetz, dem AsylbLG. Offenbar ein
äußerst ominöses Gesetz, das den einen ermöglicht, Bargeld
ausgegeben, während für Göttingen "keinerlei Handlungsspielraum
besteht", eben selbiges zu tun. Wer's glaubt, wird SPD-Mitglied.
Aber noch einmal der Reihe nach. Im Jahre 2007 hatten sich die Göttinger Kommunalparlamente
zuletzt mit der Thematik beschäftigt. Der Rat der Stadt hatte sich damals zu einer
Resolution gegen das Gutscheinsystem durchgerungen, ein entsprechender Beschluss war dann
jedoch am Umfallen der SPD gescheitert. Anders im Kreistag: Hier war 2007 sogar zweimal
beschlossen worden, Bargeld einzuführen. Dies rief die Fachaufsicht in Hannover auf
den Plan, die erfolgreich die Nicht-Umsetzung der gefassten Beschlüsse anmahnte und
ihre Rechtsauffassung hinsichtlich des für die Art der Leistungsgewährung einzig
einschlägigen §3 AsylbLG skizzierte: "Grundleistungen gemäß § 3
des AsylbLG sind im Regelfall in Form von Sachleistungen zu gewähren. Eine Abweichung
hiervon ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall möglich. Liegen
diese Umstände vor, können Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen
vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt
werden." (Weisung an den LK Göttingen vom 14.02.2008)
Doch diese Interpretation des AsylbLG geht fehl (siehe Sonderseite von 2007), und
ganz offensichtlich widerspricht auch die derzeitige Praxis in
Göttingen dieser Vorgabe aus Hannover. So werden nicht
nur in besonderen Einzelfällen, Wertgutscheine ausgegeben und ansonsten etwa
Fresspakete oder Kantinenverpflegung (Sachleistungen eben) angeboten, nein, es findet
eine generelle Ausgabe von Wertgutscheinen statt. In den Köpfen der lokalen
SPD-Matadoren geht das zusammen, weil man einfach so tut, als seien Wertgutscheine in
Wirklichkeit Sachleistungen. Bereits der gesunde Menschenverstand reicht aus, um zu
begreifen, dass man Gutscheine nicht essen, sondern allenfalls gegen Essen eintauschen
kann. Es handelt sich also nicht um eine "unmittelbare Form der Bedarfsdeckung"
-was eben eine Sachleistung wäre-, sondern um "eine Art der Ersatzgewährung,
die anstelle von Bargeld als Tauschmittel für Gegenstände der Bedarfsdeckung
eingesetzt" wird, wie es in den einschlägigen Gesetzeskommentaren (hier
Hohm,
Goldman/Schwabe) heißt. Deswegen geht es bei der Frage Wertgutschein oder
Geldleistung eben gerade nicht darum, das angeblich "keinerlei Handlungsspielraum"
zulassende Sachleistungsprinzip auszuhebeln, sondern darum, die gerade durch das
AsylbLG gewährten Handlungsspielräume -genauso wie bislang auch- zu nutzen
und sich unter Abwägung der Gegebenheiten, Interessen und Rechtsgüter statt
für die einen Alternative zur Sachleistung für die andere zu entscheiden.
Im Kern geht es also um ein Abwägen der Ersatzformen untereinander.
Tatsächlich spricht im Rahmen einer solchen Abwägung die größere
Nähe zum Sachleistungsprinzip für die Ausgabe von Wertgutscheinen.
Demgegenüber kann man für die Geldleistung die Grundrechte der
Leistungsberechtigten ins Feld führen, im besonderen das Recht auf
ein soziokulturelles Existenzminimum, das Grundrecht auf Wahrung der
Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit,
den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht der Informationsfreiheit, kurz
all jene Rechtsgüter, die durch die Gutscheinpraxis verletzt werden können.
Und genau hier liegt dann der eben doch vorhandene Handlungsspielraum der
Behörden, die Sachleistungen anstatt durch Wertgutscheine durch Geldleistungen zu
ersetzen. Und genau so funktioniert es auch in allen den anderen Kommunen, die oft
schon seit Jahren so verfahren.
Keine Frage, würde Göttingen ab sofort generell Bargeld statt Wertgutscheine
auszahlen, so würde dies aller Wahrscheinlichkeit nach das Innenministerium in
Hannover aufbringen. Wie im Falle von Holzminden wird es dann heißen: "Wenn
sich Kommunen nicht an das Bundesgesetz halten, dann können Sie sich ganz klar
darauf verlassen, dass wir einschreiten. Wenn es überhaupt nicht mehr anders geht,
ist die letzte Konsequenz, dass man das Geld nicht erstattet." (Schünemann
am 17.10.2008 im Landtag). Sorgen machen, dass Hannover ernst macht,
müsste sich Göttingen freilich nicht. Denn wie gesehen verstößt
es gerade nicht gegen Bundesrecht, Sachleistungen durch Geldleistungen anstatt durch
Wertgutscheine zu ersetzen, eben so, wie in zahlreichen anderen Orten längst
geschehen.
Und noch weiterer Handlungsspielraum bestünde: Sollte Göttingen die
Konfrontation mit Hannover scheuen, so könnte die Stadt zumindest auf konkreten
Antrag des Leistungsberechtigten hin, also tatsächlich im Einzelfall, Bargeld ausgeben.
Die Gutscheingruppe nimmt diesbezügliche Hinweise gerne entgegen und würde
auch einen Musterantrag mit den Betroffenen erarbeiten. Handlungsspielraum also,
wohin man nur blickt, man muss ihn nur nutzen!
4. Dezember 2011
Brandenburg: Bargeld statt Gutscheine!
Anfang November forderte der Brandenburgische
Sozialminister Günter Baaske in einer Veröffentlichung seines Ministeriums
sämtliche Kommunen des Landes auf, die Leistungen nach §3 AsylbLG grundsätzlich
in Bargeld auszuzahlen. Das "veraltete Gutscheinsystem" sei "für die Betroffenen in der Regel
völlig ungeeignet, zu teuer und auch diskriminierend". Hintergrund des Appells bildet
ein Runderlass des Brandenburgischen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und
Familie, in dem noch einmal festgestellt wird, dass "alle Kreise und kreisfreien Städte, die
Geld an Asylbewerber auszahlen, rechtskonform handeln".
Tatsächlich stellt der Runderlass klar, dass "den zuständigen Behörden (...)
ein verhältnismäßig weites Ermessen bezüglich der Alternativleistungsformen
zusteht". Im Wesentlichen werden dann "Gesichtspunkte aus Sicht der Behörde"
dargelegt, "die eine Ermessensentscheidung zugunsten von Geldleistungen rechtfertigen
können". Im Vordergrund steht hierbei der höhere Verwaltungs- und Kostenaufwand von Sachleistungen
oder Gutscheinen.
Natürlich ist es zu begrüßen, dass mit Brandenburg ein weiteres Bundesland auf
Bargeldausgabe drängt - in den meisten Brandenburgischen Kommunen ist die Bargeldausgabe
ohnehin längst Praxis, einzig die Landkreise Havelland, Oberhavel und
Oberspreewald-Lausitz geben immer noch Gutscheine aus. Da grundsätzlich jedoch
immer Vorsicht geboten ist, wenn die Grundrechte betreffende, politische Fragen auf Fragen
des Kostenaufwands reduziert werden, soll hier kurz ausgeführt werden, was Gutscheine und
Sachleistungen jenseits von Haushaltspositionen bedeuten:
Die Ausgabe von Sachleistungen oder Gutscheinen bedeutet Bevormundung, Demütigung und
Stigmatisierung von Flüchtlingen. Sie dient der Schikane, Kontrolle und Disziplinierung von
AsylbewerberInnen und macht ihnen jeden Tag deutlich, dass sie in Deutschland nicht willkommen sind.
In diesem Sinne werden die Grundrechte der Leistungsberechtigten verletzt, insbesondere das Recht
auf ein soziokulturelles Existenzminimum, das Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde,
das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, der Gleichheitsgrundsatz, das
Grundrecht der Informationsfreiheit und der Religionsfreiheit (vgl. Gutachten von
Rechtsanwältin Lederer). Zudem besteht -insbesondere bei der Ausgabe von Gutscheinen-, die
Gefahr, dass Dritte die prekäre Lage der Flüchtlinge zum Beispiel durch Einbehalten
von Wechselgeld, durch Bargeldauszahlung eines Betrages unterhalb des Nennwertes der Gutscheine
oder durch erhöhte Verkaufspreise beim Bezahlen mit Gutscheinen ausnutzen.
Bezüglich des Gegenstands des Brandenburgischen Runderlasses, also der "Ermessensentscheidungen
der zuständigen Behörden" bedeutet all dies, dass gerade auch die Betrachtung
des §3 AsylbLG im Kontext der Grundrechte schon dazu führen müsste, bei den
Alternativleistungsformen die Geldleistung als vorrangig anzusehen.
Und selbstverständlich gilt das Gesagte sämtlich auch für Göttingen. Auch hier
wäre die generelle Auszahlung von Bargeld an Flüchtlinge, also die Umsetzung des
Kreistagsbeschlusses vom 9. Mai 2007
ebenso "rechtskonform" wie in Brandenburg, auch
wenn dies das Niedersächsische Innenministerium für Inneres und Sport anders sieht.
Wir fordern den neu gewählten Kreistag deshalb auf, sich nicht länger für dumm verkaufen zu lassen und
den Beschluss vom 9. Mai 2007 endlich umzusetzen! Es ist höchste Zeit! Das
Gutscheinsystem muss endlich abgeschafft werden! In
Göttingen, in Niedersachsen, in Brandenburg und auch überall sonst!
17. März 2011
Dienstag, 22. März 2011 | 16 Uhr | Kornmarkt
Kundgebung: Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
Die Kundgebung ist Teil eines dezentralen, bundesweiten
Aktionstages gegen
das Asylbewerberleistungsgesetz, "Residenzpflicht", Lagerisolation und rassistische Sondergesetzgebung.
Flüchtlinge und Geduldete sind in einem Netz von
zahlreichen Mechanismen der Schikane, Ausgrenzung und Entrechtung gefangen. Für einen
Großteil der diskriminierenden Lebensbedingungen bildet das Asylbewerberleistungsgesetz die gesetzliche Grundlage.
In diesem repressiven Gesetz ist festgeschrieben, dass Flüchtlinge in Deutschland unter erbärmlichen
Bedingungen in Flüchtlingslagern leben müssen, von Sachleistungen oder Gutscheinen der Behörden
abhängig gemacht werden, keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung erhalten und gezwungen sind,
von deutlich niedrigeren Leistungssätzen zu leben, als Hartz IV-EmpfängerInnen.
Die Abhängigkeit der Flüchtlinge von den mickrigen Sozialleistungen wird darüber hinaus gesetzlich durch
Arbeitsverbote und nachrangigen Arbeitsmarktzugang zementiert, zudem wird der Zugang zu Deutschkursen, Bildung und
Ausbildungsmöglichkeiten systematisch erschwert. Gleichzeitig wird Flüchtlingen das Menschenrecht auf
Bewegungsfreiheit durch die so genannte "Residenzpflicht" aberkannt.
Diese und weitere rassistischen Sondergesetze bilden gemeinsam einen Gesetzeskomplex der Unterdrückung, Isolation
und des sozialen Ausschlusses. Ziel dieser staatlich verordneten Ausgrenzung ist es, Flüchtlinge leichter abschieben zu
können und andere Menschen abzuschrecken, überhaupt erst nach Deutschland zu kommen.
Im Laufe der nächsten Monate stehen sowohl das Asylbewerberleistungsgesetz als auch die "Residenzpflicht"
im Bundestag zur Debatte.
Für uns ist klar: Asylbewerberleistungsgesetz und "Residenzpflicht" sind nicht reformierbar, sondern
müssen abgeschafft werden - Menschenwürde und Bewegungsfreiheit sind nicht verhandelbar!
Beteiligt Euch an der Kundgebung: Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
Wann: Dienstag, 22. März 2011, 16 Uhr
Wo: Kornmarkt, Göttingen
5. Januar 2010
Ausstellung und Veranstaltungen in Hannover: Residenzpflicht - invisble borders
Für Flüchtlinge im Asylverfahren oder mit Status der Duldung existieren in Deutschland an
alltäglichen Orten unsichtbare Grenzen. Sie dürfen sich z. B. aufgrund der sogenannten
"Residenzpflicht" nur innerhalb eines ihnen zugewiesenen Bereiches bewegen. In der Regel entspricht
dieser Bereich dem jeweiligen Landkreis, in dem sie gemeldet sind. Gleichzeitig werden sie verpflichtet, in Flüchtlingsheimen
und -lagern oft am Rande oder außerhalb von Siedlungsgebieten zu wohnen. Gutscheinsysteme statt Bargeldleistungen, aber auch
Personenkontrollen von als "fremd" wahrgenommenen Menschen an Bahnhöfen und in Zügen
führen zur Markierung von Flüchtlingen und tragen zur gesellschaftlichen Isolation bei.
Die Ausstellung "Residenzpflicht - invisible borders" dokumentiert anhand von Modellen,
Plänen, Texten, Fotografien und einem kurzen Film die durch die Residenzpflicht produzierte
Geografie mehrfacher Einsperrung und Ausgrenzung, die durch sie verursachte Raumwahrnehmung
aber auch Strategien des Widerstands.
Im Rahmen der Ausstellung finden auch zwei Veranstaltungen statt. Im direkten Anschluss an die
Eröffnung der Ausstellung am
Montag, den 11. Januar um 19 Uhr referiert Beate Selders, Journalistin und
Autorin der gleichnamigen Broschüre zu
"Keine Bewegung! Die 'Residenzpflicht' für Flüchtlinge -
Bestandsaufnahme und Kritik"
Die Journalistin Beate Selders beschreibt den behördlichen Umgang mit der Residenzpflicht
und die alltäglichen Auswirkungen für die Betroffenen, aber auch ihre juristischen und
politischen Hintergründe. Fallbeispiele und Informationen aus erster Hand sollen dazu beitragen,
die in weiten Teilen der Öffentlichkeit verbreitete Ahnungslosigkeit über die
Lebensbedingungen Asylsuchender in Deutschland abzubauen.
Durch eine vielschichtige Darstellung wird die Residenzpflicht nicht nur als Problem der
Betroffenen thematisiert: Wie wirkt es sich auf die demokratische Verfasstheit unserer
Gesellschaft aus, wenn einer Gruppe von Menschen elementare Grundrechte verweigert
werden? Wie wirkungsvoll ist das staatliche Engagement gegen Intoleranz und rassistische
Gewalt, wenn die davon Betroffenen per Gesetz ausgegrenzt und stigmatisiert werden?
Und am
Donnerstag, den 21. Januar, um 19 Uhr
Hannover auf dem Prüfstand
Soziale Realität von Flüchtlingen
und solidarische Handlungsmöglichkeiten
Flüchtlingsorganisationen und antirassistische Gruppen agieren seit Jahren im Spannungsfeld
von sozialer und politischer Arbeit. Dazu gehören z. B. auch kargah e.V. und die Kooperative
Flüchtlingssolidarität. Sie schildern, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge
und Illegalisierte in Hannover Leben müssen.
Die Stadt Hannover formulierte im lokalen Integrationsplan von 2008 als Ziele eine "menschenwürdige
Existenz" für Flüchtlinge und "Hilfe und Beratung" für Illegalisierte.
Flüchtlingspolitik wird jedoch stark durch Bundes- und Landespolitik bestimmt. Können die im
Integrationsplan formulierten Ziele unter diesen Bedingung umgesetzt werden? Wie vertragen sich
diese Ansprüche mit der Tatsache, dass Flüchtlinge statt Geld Gutscheine erhalten, mit denen
sie nur in bestimmten Läden und auch nicht alle Waren einkaufen können? Was kann
man gegen das menschenunwürdige und Flüchtlinge stigmatisierende Gutscheinsystem tun?
Die Bleiberechtsregelung ist nun um zwei Jahre verlängert worden: Aber wie sind die Behörden
in Hannover bisher mit der Vergabe von Bleiberechten umgegangen? Anstatt Bargeld erhalten
Flüchtlinge Gutscheine mit denen sie nicht alle zur Verfügung stehenden Waren kaufen
dürfen: Wie kann man sich für einen besseren Schutz für Flüchtlinge einsetzen?
30. Oktober 2009
Weg mit dem Sachleistungsprinzip!
"Der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und
Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts wird durch Sachleistungen gedeckt.
(...) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen (...) können, soweit es nach den
Umständen erforderlich ist, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen (...) Leistungen in
Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im
gleichen Wert gewährt werden." [1]
Diesem Vorrangsprinzip der Sachleistung und der von Hardlinern
einer rassistischen Flüchtlingspolitik betriebenen Erweiterung des selbigen auf eine angebliche
Rangfolge der Alternativleistungsformen ist geschuldet, dass AsylbewerberInnen und rechtlich
Gleichgestellte in Göttingen die in zustehenden Leistungen in Form von Gutscheinen andernorts
teilweise sogar als Fresspakete, Kantinenverpflegung oder Chipkarten bekommen. Obwohl es auch
derzeit genügend Beispiele für Länder und Kommunen gibt, in denen generell Geldleistungen ausgegeben
werden, wurde die Gutscheinausgabe immer wieder mit Verweis auf Artikel 3 als angeblich zwingend
vorgeschrieben durchgesetzt, in Göttingen zuletzt mittels fachaufsichtlicher Weisung im Februar 2008.
Doch nun besteht eine geringe Aussicht, dass der wackeligen Argumentation der GutscheinverfechterInnen
das Fundament entzogen werden könnte, denn im schwarz-gelben Koalitionsvertrag [pdf, 935 kb] findet sich in Kapitel III, Abschnit 5 der Satz:
"Das Asylbewerberleistungsgesetz werden wir im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip evaluieren."
Auch wenn damit freilich noch keine Richtung vorgegeben wird, so ist es doch ein Hinweis, dass das
Sachleistungsprinzip in seiner bisherigen Form zur Disposition steht. Und bereits Mitte Oktober
hatte der Bayerische Flüchtlingsrat im Vorfeld der Anti-Lager-Aktionstage in Schongau
bekannt gegeben, die FDP wolle die "Forderung nach einer Abkehr vom 'Sachleistungsprinzip' des
Asylbewerberleistungsgesetzes in die Koalitionsverhandlungen ein[bringen]" [2].
Wir sind also gespannt, und eilen der neuen Bundesregierung bei der Evaluierung schon mal freundlich
zur Hilfe:
Das Sachleitsungsprinzip bedeutet Bevormundung, Demütigung und Stigmatisierung von Flüchtlingen. Es
dient der Schikane, Kontrolle und Disziplinierung von AsylbewerberInnen und macht ihnen jeden Tag
deutlich, dass sie in Deutschland nicht willkommen sind. In diesem Sinne werden die Grundrechte der
Leistungsberechtigten verletzt, insbesondere das Recht auf ein soziokulturelles Existenzminimum, das
Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit,
der Gleichheitsgrundsatz, das Grundrecht der Informationsfreiheit und der Religionsfreiheit.
Mittelbar ist auch der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes betroffen. (vgl. Gutachten von Rechtsanwältin Lederer). Weiterhin bedeutet das Sachleistungsprinzip für die zuständigen
Behörden erhebliche Mehrkosten durch einen gegenüber der Bargeldausgabe deutlich größeren
Verwaltungsaufwand. (vgl. Rödl-Gutachten der Stadt Münster, Seite 8) Auch besteht -insbesondere bei
der Ausgabe von Gutscheinen-, die Gefahr, dass Dritte die prekäre Lage der Flüchtlinge zum Beispiel
durch Einbehalten von Wechselgeld, durch Bargeldauszahlung eines Betrages unterhalb des Nennwertes
der Gutscheine oder durch erhöhte Verkaufspreise beim Bezahlen mit Gutscheinen ausnutzen.
Das Sachleitsungsprinzip ist nach alledem menschenunwürdig, es muss schnellstmöglich abgeschafft werden!
10. Oktober 2009
Veranstaltung und Diskussion: |
Dienstag, 27. Oktober 09 | 19 Uhr | DGB-Haus
|
Shutdown Paganí! Das No-Border-Camp 2009 auf Lesvos
Die griechische Insel Lesvos mit ihrem Internierungslager Paganí
ist ein Brennpunkt der Auseinandersetzungen um das Grenzregime der
Europäischen Union. In der letzten Augustwoche fand auf der Insel ein internationales No-Border-Camp statt, um die
Kämpfe der Flüchtlinge
und MigrantInnen um Bewegungsfreiheit und ein selbstgewähltes Leben zu unterstützen und um die Abschottungspolitik
Europas anzugreifen.
Eine bedeutende Migrationsroute nach Europa führt derzeit über die Türkei nach Griechenland. Auf den nur wenige
Kilometer breiten
Meerengen zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln,
verhindert die Küstenwache mit Unterstützung der europäischen
Grenzschutz-Agentur Frontex die Einreise der Flüchtlinge, verletzt ihre Rechte und gefährdet ihre
Leben. Flüchtlinge, die es dennoch an Land
schaffen, werden in völlig überfüllte Aufnahmegefängnisse gesteckt, in denen sie auf
Monate unter menschenunwürdigen Bedingungen
eingesperrt werden, bevor man sie mit einer Aufforderung zur Ausreise entlässt. Auf der Veranstaltung werden
No-Border CamperInnen
über die Situation in Griechenland und über die Auseinandersetzungen vor Ort berichten. Dabei soll ein
Eindruck von den Aktionen und
vom Camp gegeben werden, Schwierigkeiten angesprochen und über Perspektiven
diskutiert werden.
Ort: DGB-Haus, Obere-Masch-Straße 10.
Zeit: Dienstag, 27. Oktober 09 um 19 Uhr
13. September 2009
Soliparty der Gutscheingruppe
19. August 2009
Donnerstag, 27. August 2009 | 16 Uhr | Rathaus Göttingen:
...und am 29.8. um 13h große antirassistische Demonstration
in Büren gegen den dortigen
Abschiebeknast, gegen Abschiebehaft und Migrationskontrolle und für weltweite Bewegungsfreiheit! Beide Demonstrationen sind Teil der Aktionswoche
gegen Abschiebung vom 24.8. bis 30.8. mit
zahlreichen Veranstaltungen in vielen Städten.
21. Juli 2009
Freitag, 24. Juli 2009 | 15 bis 18 Uhr | Gänseliesel Göttingen:
Innenstadtaktion gegen die Festung Europa
Die Europäische Union gleicht seit Jahren einer
Festung. Die Außengrenzen werden technologisch und militärisch hochgerüstet und
Flüchtlinge, die in Europa Zuflucht vor Krieg, Verfolgung und Armut suchen, müssen immer
gefährlichere Wege auf sich nehmen, um europäisches Territorium zu erreichen. Viele Tausende
sterben jedes Jahr auf ihrer Flucht nach Europa.
Migrationsrouten verlagern sich und derzeit entwickelt sich Griechenland mit seinen Ägäis-Inseln zunehmend
zu einem Brennpunkt: Die griechische Hafenpolizei verhindert mit der Unterstützung der neuen europäischen
Grenzschutz-Agentur FRONTEX die Einreise der Flüchtlinge, verletzt ihre Rechte und gefährdet ihre Leben. Die,
die es dennoch an Land schaffen, werden in überfüllte Aufnahmelager gesteckt, in denen sie auf Monate unter
menschenunwürdigen Bedingungen eingesperrt werden bevor man sie in die Obdachlosigkeit entlässt: In der
Umgebung der griechischen Häfen warten sie auf eine Gelegenheit, im andere Europäische Länder
weiterzureisen. Doch die zentraleuropäischen Staaten weigern sich kontinuierlich boat people aufzunehmen. Im
Gegenteil: Auf Grundlage des Dublin II-Abkommens werden aufgegriffene Flüchtlinge in das jeweilige Land
zurückgeschoben, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben.
Um das europäische Grenzregime und den brutalen Umgang mit Flüchtlingen und MigrantInnen anzuprangern
wird in der letzten Augustwoche auf der griechischen Insel Lesvos ein internationales No-Border-Camp stattfinden. Zur
Mobilisierung veranstalten wir am Freitag, 24. Juli von 15 bis 18 Uhr eine Innenstadtaktion in Göttingen am
Gänseliesel mit Informationsmaterial und Redebeiträgen.
Gleichzeitig wenden wir uns gegen die die Kriminalisierung von UnterstützerInnen: Derzeit drohen Stefan
Schmidt und Elias Bierdel, die mit dem Schiff Cap Anamur 37 Menschen aus Seenot retteten, in Italien Haft- und drastische Geldstrafen.
Kommt vorbei und unterstützt den Kampf gegen die Festung Europa.
17. Juni 2009
Elektronischen Petition zur Abschaffung des Sachleistungsprinzips:
"...und wer kontrolliert Ihr Leben?"
Eine aktuell von der Kampagne "...und
wer kontrolliert Ihr Leben?" beim Bundestag eingereichte
Petition fordert die Aufhebung des Sachleistungsprinzips, jenes rassistischen und diskriminierenden Sondergesetzes
für Asylsuchende und Geduldete, für dessen Abschaffung auch die
Göttinger Gutscheingruppe seit nun
mehr über 10 Jahren kämpft!
Die Petition mit folgendem Wortlaut kann noch bis zum 10. Juli 2009 gezeichnet werden:
"Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass das Asylbewerberleistungsgesetzt (AsylbLG) so
geändert wird, dass die Leistungen an Asylbewerber_innen und geduldete Flüchtlinge in Zukunft als
Bargeld ausgezahlt werden, anstatt wie bisher in Form von Sachleistungen. Dabei soll die Höhe der
Geldleistungen mindestens die im SGB XII festgeschriebene Höhe betragen."
Weitere ePetitionen, die eine Verbesserung der miserabelen Lage von Asylsuchenden
und Geduldeten fordern, werden in naher Zukunft folgen. Und zwar:
- Gegen den Zwang in Heimen zu wohnen;
- gegen das Verbot den zugewiesen Landkreis nicht verlassen zu dürfen;
- für eine Aufenthaltserlaubnis aller Personen, die sich seit mindestens 5 Jahren in Deutschland
aufhalten, sowie für ein Abschiebeverbot von Familien mit Schul- oder Kindergartenkindern;
- für die Erlaubnis von Erwerbsarbeit für Flüchtlinge.
Unabhängig von diesen Petitionen befasst sich der Deutsche Bundestag seit November
2008 auf Antrag der Grünen mit der Aufhebung des AsylbLG: In der zur diesem Antrag gehörenden,
öffentlichen
Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am 4. Mai 2009
nahmen zahlreiche ExpertInnen kritische Stellung: So stellte der Flüchtlingsrat Berlin
fest, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungs- und Arbeitsverbot, der Umverteilung
und Residenzpflicht sowie der Einweisung in Gemeinschaftsunterkünfte die Notlage
der von den Leistungseinschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes betroffenen
Flüchtlinge künstlich erzeugt habe und weiter verfestige. Dies solle der Abschreckung
anderer Flüchtlinge dienen. Die über Jahre hinweg praktizierte Ausgrenzung von der
Teilhabe an allen Bereichen des Lebens in der Gesellschaft mache die davon betroffenen
Flüchtlinge auf Dauer psychisch und physisch krank, bis hin zur Erwerbsunfähigkeit.
Für die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege vertretenen
Verbände ist es fraglich, ob das AsylbLG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Das AsylbLG verstoße zudem gegen Europa- und Völkerrecht, sei integrationsfeindlich
und eine Kosteneinsparung sei nicht belegbar. Sie "begrüßen und unterstützen mit
Nachdruck" den Gesetzentwurf der Grünen zur Aufhebung des AsylbLG.
Auch das Kommissariat der Deutschen Bischöfe meint, dass das AsylbLG
keine Existenzberechtigung mehr habe: Die Vorstellung, es gehe nur um die Regelung
eines kurzfristigen Aufenthaltes von Flüchtlingen, stimme nicht mit den Realitäten überein.
Flüchtlinge hielten sich zum Teil viele Jahre in Deutschland auf und seien auf
Integrationsangebote angewiesen.
Die Unterzeichnung der Petition ist eine von vielen Möglichkeiten, Protest zum Ausdruck
zu bringen. Das Sachleistungsprinzip ist diskriminierend und entmündigend. Es wird
ausschließlich zur Kontrolle und Disziplinierung der AsylbewerberInnen benutzt. Ihnen wird
verwehrt, selbst zu entscheiden, was und wo sie einkaufen. Bargeld ist ein Schritt zu Selbstbestimmung und Gleichbehandlung.
Deshalb: Fordert die Abschaffung des Sachleistungsprinzips!
23. April 2009
Gutscheine, Bargeld, Leistungskürzung.
Die Lebensbedingungen von AsylbewerberInnen und Flüchtlingen in Deutschland sind von Schikane
und der Willkür rassistischer Gesetzgebung geprägt. Undurchsichtige Regelungen, die immer
wieder anders ausgelegt werden, sind an der Tagesordnung.
In Remscheid setzten sich kürzlich Flüchtlinge aus unterschiedlichen Flüchtlingsunterkünften
gemeinsam gegen die dortigen Zustände zur Wehr und konnten zumindest in einigen Punkten eine
Verbesserung ihrer Situation erreichen: Bisher bekamen Flüchtlinge in Remscheid Gutscheine, wenn sie nicht
bereit waren, an ihrer eigenen Abschiebung mitzuwirken. Dies soll nun geändert werden: Künftig werden
auch in Remscheid Barleistungen ausgegeben.
Zur Erinnerung: In Göttingen wie in fast allen anderen Städten und Gemeinden in Niedersachsen stellen
Gutscheine nach wie vor die Regelleistungsform für AsylbewerberInnen und Flüchtlinge dar.
Durchgesetzt wird das Gutscheinsystem hier auch gegen den erklärten Willen diverser Kommunalparlamente,
"untermauert" durch die gebetsmühlenartig wiederholte These, das Bundesgesetz lasse die Bargeldausgabe nicht zu.
Bereits im Oktober erreichte die interessierte Leserin eine Notiz, dass AsylbewerberInnen aus Leipzig seit Jahresbeginn
2009 ihre Leistungen in Form von Bargeld gewährt bekommen. Damit wird die dort bisher praktizierte und weitaus
diskriminierendere Paketversorgung abgelöst. "Jeder Asylbewerber kann
künftig selbst entscheiden, was er wann und wo im Rahmen seiner Grundversorgung einkauft. Das bedeutet mehr
Selbstbestimmung und ein Plus an Lebensqualität für die Leistungsberechtigten". So erläutert der
Bürgermeister Leipzigs großmütig etwas, das für alle anderen selbstverständlich ist.
Selbstverständlich ist eigentlich auch, dass für alle Menschen das Existenzminimum gleich hoch ist.
Mit der Einführung des Sondergesetzes 1993 - dem sogenannten Asylbewerberleistungsgesetz - gilt das nicht mehr.
AsylbewerberInnen und Flüchtlinge erhalten seitdem nur noch rund 65% der für Deutsche vorgesehenen
Sozialleistungen. An dieser Tatsache stört sich mittlerweile sogar auch der Entwurf einer EU-Asylrichtlinie, die
sich mit der Festlegung von Mindestnormen in den Mitgliedstaaten befasst. Neben der generellen Anhebung von Sozialleistungen
auf das nationale Sozialhilfeniveau hält die Europäische Union den unentgeltlichen Zugang zu rechtlicher Beratung
und Vertretung, sowie Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang für geboten. Am 13. Februar 2009 beriet der Bundesrat
zu dieser Thematik und Niedersachsens Innenminister Schünemann präsentierte sich erneut als Hardliner
diskriminierender und rassistischer Flüchtlingspolitik: In seiner Rede bekräftigte er die Doktrin der
Abschreckung, die die Niedersächsische Flüchtlingspolitik bestimmt und darauf baut, dass Flüchtlinge durch eine
möglichst schikanöse Behandlung außer Landes zu treiben sind.
Am 6. Mai 2009 soll die EU-Richtlinie nun verabschiedet werden. Bleibt zu hoffen, dass sich "die
Schünemanns" diesmal nicht durchsetzen können.
11. April 2009
Antirassistischer Stadtrundgang durch Göttingen
am 29. April um 16 Uhr; Treffpunkt: SUB / Campus
Dieser Stadtrundgang soll für alltägliche rassistische Ausgrenzung und Stigmatisierung
sensibilisieren. Es werden Orte aufgezeigt und angeprangert, an denen Menschen
systematisch und institutionell entrechtet werden.
Durch rassistische Polizeikontrollen zum Beispiel am Bahnhof werden nicht weiße Menschen
stigmatisiert. Mögliche Folgen sind Belästigung, Erniedrigung, Ausgrenzung und die
öffentliche Darstellung als fremd und gefährlich.
Die Residenzpflicht beschränkt viele Migrant*innen in ihrer alltäglichen Bewegungsfreiheit.
Sie erschwert oder verhindert zum Beispiel Besuche, Erwerbsarbeit oder politische
Betätigung.
Die Gutscheinpraxis bedeutet für alle, die unter das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz
fallen, Bevormundung und Demütigung. Sie dient dazu, das Leben von Migrant*innen
zusätzlich zu erschweren und die Lebensqualität gezielt zu mindern.
Der Antirassistischer Stadtrundgang findet am 29. April um 16 Uhr statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Treffpunkt: Campus Göttingen vor der Niedersächischen Staats- und
Universitätsbibliothek, Platz der
Göttinger Sieben 1.
17. Dezember 2008
Niedersachsen bleibt stur
Der Niedersächische Landtag hat in seiner Sitzung am 17. September 08
einen Antrag
der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen abgelehnt, der zum Ziel hatte, die
Kommunen nicht länger zu der restriktiven
Gutscheinpraxis zu verpflichten. In dem Antrag heißt es, die
Landesregierung werde "aufgefordert, jegliche Vorgaben gegenüber den
Kommunen, die darauf gerichtet sind, Wertgutscheine gegenüber
Barauszahlungen und unbaren Abrechnungen bei der Leistungserbringung
nach §3 AsylbLG zu bevorzugen, aufzuheben. (...) Die Räte der
Landeshauptstadt Hannover, der Stadt Oldenburg, der Stadt und des
Landkreises Göttingen und (...) des Landkreises Holzminden haben sich
gegen die Praxis, vorrangig Wertgutscheine statt Bargeld an die
Asylbewerber auszugeben, ausgesprochen. Diesen Bestrebungen soll auch
auf Landesebene entsprochen werden."
Die gute Absicht der
AntragstellerInnen, das entmündigende und rassistische Gutscheinsystem
auch in Niedersachsen endlich abschaffen zu wollen, in allen Ehren -
der vorgelegte Antrag von Bündnis90/Die Grünen muss der Landesregierung
wie eine Vorlage vorgekommen sein, erneut mit der immergleichen
Behauptung aufzuwarten, die generelle Ausgabe von Bargeld verstoße gegen
Bundesrecht. Dringend nötig wäre hingegen, die Landesregierung dazu zu
bringen, ihre eigene Gesetzesauslegung rechtsgutachtlich prüfen zu
lassen. Dann müsste auffallen, was auch jeder aufmerksamen Leserin
der Schünemann Rede aufgefallen ist:
Wertgutscheine sind keine Sachleistungen, sondern eine der im Gesetz vorgesehenen
Alternativleistungsformen.
Niedersachsen ist sehr wohl das Bundesland, welches die
Wertgutscheinausgabe am restriktivsten handhabt: Laut amtlicher Statistik erhalten in Berlin, Hamburg, Hessen, NRW und Sachsen-Anhalt weniger als 10% aller
dezentral untergebrachten Leistungsberechtigten neben anderen Leistungsformen auch Wertgutscheine,
während es in Niedersachsen 77% sind, welches den bundesweit höchsten Anteil darstellt.
(Statistik als Tabelle
mit relativen Zahlen aufbereitet.)
Die Heranziehung ausländerpolitischer Zwecke (" verminderte Anreizwirkung" für Dritte) steht
im Widerspruch zu den sonst angeführten " Umständen des Einzelfalls" und stellt eine
Instrumentalisierung des Leistungsrechts dar. Sie verletzt somit Flüchtlinge in ihrer Menschenwürde
(vgl. Classen, "Menschenwürde mit Rabatt")
Neben den hier aufgeführten Widersprüchen könnte ein Rechtsgutachten ähnlich wie jenes von
Rechtsanwältin Lederer
zu Brandenburg zu dem Ergebnis kommen, dass eine Nachrangigkeit der Geldleistungen gegenüber Wertgutscheinen aus §3 Abs. 2 AsylBLG nicht abzuleiten
ist - vielmehr eine Betrachtung dieses Paragraphens im Kontext höherrangigen Rechts (speziell
der Grundrechte) sogar dazu führen müsste, bei den Ersatzformen die Geldleistung als vorrangig anzusehen.
Das kann ein Weg sein, Aussagen Schünemanns, wie die am 7. Oktober im Landtag getätigte:
"Wenn sich Kommunen, auch der Landkreis Holzminden, nicht an das Bundesgesetz
halten, dann können Sie sich ganz klar darauf
verlassen, dass wir einschreiten. Wenn es überhaupt nicht mehr anders geht, ist die letzte Konsequenz, dass man das Geld nicht erstattet; denn
das Bundesrecht können wir nicht über Landesrecht aushebeln." (Protokoll der 17.
Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtags, S. 1972)
als leere Drohungen eines Hardliners rassistischer Flüchtlingspolitik zu enttarnen, so dass sich Kommunen
endlich trauen, Bargeld auszugeben.
23. November 2008
Samstag, 13. Dezember, 13 Uhr, Jakobi-Kirchhof:
Demo gegen den alltäglichen Rassismus, Neonazis und für einen neuen Afro-Shop!
Nachdem in der Nacht von Freitag auf Samstag, den 27.09. der Afro-Shop von Joseph M. im Ritterplan
ausbrannte, kam es bereits am 30.09. zu einer ersten kraftvollen Demo unter dem Motto "Solidarität
mit Joseph M. | Solidarität mit den Opfern von alltäglichem Rassismus." Demonstriert
wurde im Besonderen gegen die rassistische Hetze, der Joseph in den vorherigen Monaten seitens
seines Vermieters von W. ausgesetzt war sowie gegen den alltäglichen Rassismus der deutschen
Gesellschaft im Allgemeinen. An Josephs Situation hat sich nach dieser Demo wenig geändert,
wie auch am alltäglichen Rassismus mit dem Joseph und andere konfrontiert sind. Deshalb gehen
wir am 13. Dezember erneut auf die Straße, um gegen den alltäglichen Rassismus in
Göttingen und anderswo zu demonstrieren, einen neuen AfroShop zu fordern, und die Ereignisse
nicht in scheinbar willkommene Vergessenheit geraten zu lassen. (...)
Eine Vertreibung des Afro-Shops durch das Zusammenspiel von Rassismus und Gleichgültigkeit ist
für uns nicht hinnehmbar! Deswegen fordern wir auch von der Stadt Göttingen
Unterstützung für einen neuen Afro-Shop in der Innenstadt.
Das Schweigen brechen! Kein Raum für Nazis und andere RassistInnen!
10. November 2008
Soliparty: Gegen den alltäglichen Rassismus und für einen neuen Afro-Shop in Göttingen!
Am Samstag, 22. November 08, ab 22 Uhr im JuZI, Bürgerstraße 41, Göttingen.
27. Oktober 2008
Veranstaltung: Rassistische Sondergesetzgebung und die Gutscheinpraxis in Niedersachsen
Die Einführung des AsylbewerberInnenleistungsgesetzes vor 15 Jahren
bedeutete eine neue Qualität der kontinuierlich fortschreitenden
Entrechtung und Entwürdigung von Flüchtlingen. Zwangsunterbringung
in Massenunterkünften, ungenügende Existenzsicherung, diskriminierende
Versorgungspraktiken, Residenzpflicht, mangelhafte medizinische Versorgung
und faktisches Arbeitsverbot sind Beispiele. Auf der Veranstaltung soll dieser
staatliche Rassismus thematisiert und an Hand der Niedersächischen
Gutscheinpraxis tiefergehend erläutert werden.
Ort: Universität Göttingen, ZHG 003, Platz der Göttinger Sieben 5
Zeit: Dienstag, 9.12.08, 20 Uhr
21. September 2008
Fachaufsicht versus Beschluss des Kreistages Göttingen
Nachdem die Umsetzung des Beschlusses zur Abschaffung des
Wertgutscheinsystems im Landkreis Göttingen monatelang herausgezögert
wurde, ist die von Landrat Schermann herbeigesehnte Anweisung der
Fachaufsicht endlich eingegangen: Mit Schrieb vom 14. Februar 2008
teilte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport mit, der
"Beschluss [vom 9. Mai 2007]
verstößt gegen
geltendes Bundesrecht, soweit durch ihn die Verwaltung aufgefordert
wird, die Leistungen nach dem AsylbLG künftig in Form von Geldleistungen
statt in Form von Wertgutscheinen zu gewähren." Dem Wortlaut des §3
Absatz 2 Satz 1 AsylbLG, seiner Entstehungsgeschichte, der
Gesetzessystematik und der ratio legis des Prinzips der vorrangigen
Sachleistungsgewährung könne entnommen werden, dass die genannten
Ersatzformen, also Wertgutscheine, andere vergleichbare unbare
Abrechnungen oder Geldleistungen nicht gleichrangig seien.
Damit wiederholt das Innenministerium gebetsmühlenartig eine nicht
konsistente Argumentation: So stellte das Innenministerium in einem
Erlass zur Gesetzesänderung des AsylbLG im Jahre 1997 selbst fest, die
weitere Rangfolge (Geldleistungen nur dann, "wenn besondere Umstände der
Aushändigung von Wertgutscheinen oder anderen unbaren Abrechnungen
entgegenstehen") sei entfallen, um heute zu behaupten, eben jenes
Rangsverhältnis sei bei der Gesetzesänderung 1997 nicht aufgegeben
worden - die Änderung habe lediglich der "Straffung der Norm" gegolten.
Dem entgegen stehen zahlreiche Gesetzeskommentare und Rechtsgutachten
sowie die Praxis in Kommunen von zahlreichen Bundesländern, in denen
generell Bargeld ausgegeben wird. Auch wenn das Innenministerium in
Hannover das nicht wahrhaben will: In Bremen, Mecklenburg-Vorpommern,
Hessen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt, Berlin und Hamburg wird die Hilfe zum Lebensunterhalt als Barleistung gewährt.
Und auch in Niedersachsen
wehrt sich Holzminden erfolgreicher als Göttingen gegen die
Einschüchterungsversuche aus Hannover: In einer Beschlussvorlage vom 2.
Juni 2008 bekräftigte der dortige Landrat, "für
Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs weiterhin die Gewährung von
Geldleistungen vorzusehen". Die Landtagsfraktion "Die Linke" unterstützt mit einer
Presseerklärung vom 11. Juli ausdrücklich das Festhalten des Landkreises
Holzminden an der Bargeldausgabe und spricht sich gegen die "Drangsalierung der
Kommunen", die sich für die Bargeldausgabe entschieden haben, aus.
3. Juli 2008
Auf nach Hamburg! Antira-Actioncamp vom 16. bis
24. August 2008!
6. Juni 2008
radar-Festival in Lüneburg
Von 12. bis 15. Juni findet in Lüneburg das radar-Festival
2008 statt: Aktionstage gegen
den rassistischen Normalzustand. Das Festival richtet sich dabei explizit gegen das
Niedersächische Gutscheinsystem: Am Freitag, den 13. Juni, gibt es um 15 Uhr eine Gutschein-Rallye
in der Lüneburger Innenstadt; am Samstag, den 14. Juni, um 11 Uhr beteiligt
sich die Gutscheingruppe Göttingen an einem workshop zum Gutscheinsystem.
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